Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Der Handel senkt die Armut – und schadet der Umwelt

Vietnam profitiert besonders stark von internationalen Wertschöpfungsketten: Näherin in einer Sportartikelfabrik in der Provinz Nam Dinh. Foto: Hau Dinh (Keystone)

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Zum ersten Mal seit 1987 dreht sich der Weltentwicklungsbericht der Weltbank – der wichtigste Bericht der Organisation – um Fragen des Welthandels. Im Zentrum des Berichts, der letzte Woche im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Bern vorgestellt wurde, stehen die weltweiten Wertschöpfungsketten. Also der Umstand, dass einzelne Güter wie etwa ein Velo oder ein Handy das Ergebnis von Produktionsstätten sind, die rund um den Globus verteilt sind. Wertschöpfungsketten machen bereits die Hälfte des weltweiten Handels aus.

Die in Washington ansässige Weltbank ist die grösste und wichtigste Institution für Fragen der Entwicklung von armen Volkswirtschaften und Schwellenländern. Pinelopi Goldberg, seit einem Jahr Chefökonomin der Weltbank, begründet die Wahl des Themas mit seiner Wichtigkeit: «Ich war selbst überrascht, welche Bedeutung weltweite Wertschöpfungsketten haben.» Wie Aaditya Mattoo, Co-Direktor des Berichts, in Bern darlegte, fördern sie wirtschaftliches Wachstum und schaffen mehr und bessere Arbeitsplätze. So könnten sie auch die Armut vermindern.

Der Befund bestätige «die Relevanz der Investitionen der Schweiz in Projekte zur Einbindung der Entwicklungsländer in globale Wertschöpfungsketten», hält man dazu beim Seco fest. Dessen Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch erklärte, seit vielen Jahren setze die Schweiz auf entsprechende Handelsprojekte.

Starke Wachstumseffekte

Laut dem Bericht der Weltbank hat die «Hyperspezialisierung» auf Teilprodukte und Prozesse noch grössere Vorteile, als sie Ökonomen schon dem klassischen Freihandel mit Endprodukten zwischen Ländern zusprechen. Verstärken die Unternehmen eines Landes ihre Beteiligung an weltweiten Wertschöpfungsketten um 1 Prozent, wächst das durchschnittliche Einkommen in diesem Land um mehr als 1 Prozent. Im Fall des klassischen Endproduktehandels beläuft sich der Zuwachs laut Weltbank auf weniger als die Hälfte.

So überrascht es wenig, dass genau jene Regionen die grösste Senkung der Armut verzeichnen, die sich besonders stark auf die Wertschöpfungsketten ausgerichtet haben. Der Bericht verweist unter anderem auf China, Vietnam und Bangladesh. Anders als beim Handel in Endgütern investieren bei Wertschöpfungsketten weltweit tätige Konzerne direkt die Produktionsanlagen in den ärmeren Ländern. Das führt zu einem grösseren Technologietransfer und zu einer stabileren Entwicklung.

Erst die Finanzkrise, dann der Handelskrieg

Seit dem von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelskrieg gegen China wurde schon mehrfach auf dessen schädliche Folgen für die internationalen Wertschöpfungsketten hingewiesen. Trumps erklärtes Ziel ist es, die Produktion wieder möglichst vollständig in die USA zurückzuholen. Die unmittelbare Folge seiner Politik zeigt sich darin, dass Unternehmen weltweit Investitionen auf Eis gelegt haben. Sie wollen sich erst engagieren, wenn klar ist, welche Produktionsstandorte von Nachteilen verschont bleiben.

Wie nun aber der Bericht der Weltbank zeigt, befanden sich die weltweiten Wertschöpfungsketten schon vor Trump auf dem Rückzug – konkret seit der Finanzkrise von 2008. Die Weltbank begründet das mit einem allgemein geringeren Wirtschaftswachstum und weniger Investitionen. Zudem seien die Möglichkeiten der Produktionsauslagerung an Grenzen gestossen. Im zunehmenden Protektionismus der vergangenen Jahre sieht die Weltbank aber eine grosse Gefahr für eine weitere Senkung der internationalen Arbeitsteilung – mit negativen Folgen auch für ärmere Länder.

Risiko einer steigenden Ungleichheit

Obwohl sie vor allem die Vorteile der Wertschöpfungsketten betont, benennt die Weltbank auch deren Nachteile. So droht etwa die Ungleichheit zuzunehmen: Weil mit der Spezialisierung auf die internationale Produktion der Kapitaleinsatz auf Kosten des Arbeitseinsatzes steigt, profitieren Kapitaleigner besonders. Weil auch die Komplexität der Arbeit steigt, profitieren besser Qualifizierte mehr als Niedrigqualifizierte. Wer wegen ungenügender Qualifikationen die Arbeit verliert, hat zudem schlechte Chancen auf einen neuen Job.

Als Gegenmassnahmen empfiehlt die Weltbank umfassende Möglichkeiten zur Bildung und Weiterbildung und ein starkes soziales Netz. Als Vorbild nennt der Bericht das «Flexicurity»-Modell aus Dänemark, das es einerseits Arbeitgebern ermöglicht, nicht mehr benötigte Beschäftigte rasch zu entlassen. Gleichzeitig werden dort aber Arbeitslose grosszügig unterstützt, und es gibt Programme zur Wiedereingliederung.

Schädlich für die Umwelt

Nachteile zeigen sich laut dem Bericht aber auch für die Umwelt. Im Rahmen von Wertschöpfungsketten werden mehr Waren über weite Distanzen transportiert als beim Handel mit Endprodukten. Die Folge sind höhere CO2-Emissionen. Auch steigt der Bedarf an Verpackungsmaterial. Der Bericht empfiehlt, dass die Umweltkosten den Produzenten auferlegt werden müssen. Das würde zu einer Anpassung der Produktion und der Produktionswege führen. In diesem Bereich seien zusätzliche Regulierungen notwendig.

Schliesslich fordert die Weltbank eine verstärkte internationale Zusammenarbeit. Diese müsse auch das Thema Steuern und Infrastrukturen miteinbeziehen – und Massnahmen zur Öffnung der Märkte. Ein Blick auf die aktuellen politischen Verhältnisse in der Weltwirtschaft deutet nicht darauf hin, dass die Weltbank hier Gehör findet.