Zum Inhalt springen

Alternativer Nobelpreis Iranische Menschenrechtsanwältin Sotoudeh ausgezeichnet

Sie hat ihren Protest fast mit dem Leben bezahlt: Die in Iran inhaftierte Anwältin Nasrin Sotoudeh erhält den Alternativen Nobelpreis. Drei weitere Aktivisten wurden für ihren Kampf ausgezeichnet.
Dieses Bild der iranischen Anwältin Nasrin Sotoudeh stammt aus dem Jahr 2013. Sie protestierte dieses Jahr mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen.

Dieses Bild der iranischen Anwältin Nasrin Sotoudeh stammt aus dem Jahr 2013. Sie protestierte dieses Jahr mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen.

Foto: BEHROUZ MEHRI / AFP

Es gibt Menschen, die sich so sehr für ein besseres Leben anderer Menschen einsetzen, dass sie damit ihr eigenes in Gefahr bringen. Nasrin Sotoudeh zum Beispiel. Die 57-Jährige hat gerade einen Hungerstreik knapp überlebt. Sie sitzt in einem iranischen Gefängnis, weil sie gegen das Regime und für Gerechtigkeit in ihrem Land demonstrierte.

Oder Lottie Cummingham Wren. Sie kämpft dafür, dass den Leuten in ihrer Heimat Nicaragua nicht noch mehr Land geraubt wird. Bryan Stevenson kämpft in den USA gegen Rassismus in Gesellschaft und Strafrecht, und er setzt sich gegen die Todesstrafe in seinem Land ein. Und Ales Bialiatski wirbt seit 30 Jahren für Demokratie in Belarus, einem Land, in dem sich Präsident Alexander Lukaschenko mit Wahlbetrug und der Unterdrückung Oppositioneller an der Macht hält.

Sie alle sind in diesem Jahr mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet worden, dem Alternativen Nobelpreis.

Wir möchten diese vier Menschen vorstellen, und das, wofür sie stehen.

Nasrin Sotoudeh

"Jede Frau muss selbst über ihren Körper und ihre Kleidung entscheiden können."

Schrieb Nasrin Sotoudeh im Sommer 2018 im SPIEGEL . Fünf Tage später wurde sie festgenommen. Sotoudeh und ihr Mann Resa Chandan gehören zu den renommiertesten Menschenrechtsaktivisten in Iran. Sotoudeh war schon vorher in Haft gewesen, im Evin-Gefängnis, einer berüchtigten Folteranstalt in Teheran. Doch diesmal wurde sie zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt.

Verurteilt zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben: Nasrin Sotoudeh, hier 2017 in Teheran

Verurteilt zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben: Nasrin Sotoudeh, hier 2017 in Teheran

Foto:

Rouzbeh Fouladi / imago images / ZUMA Press

Verurteilt, weil sie sich für die Rechte von Kindern und Frauen einsetzt, für Dissidenten. Der Grünenpolitiker Omid Nouripour schreibt in einem Gastbeitrag, Sotoudeh habe für ihre Überzeugungen stets einen hohen Preis zahlen müssen und dass sie sich unter Einsatz ihres Lebens für Gerechtigkeit einsetze.

Um auf die katastrophalen Haftbedingungen aufmerksam zu machen, trat Sotoudeh in Hungerstreik. Ihr gehe es nicht gut, sagte ihr Mann im SPIEGEL, sie wiege weniger als 47 Kilo, sei schwach, in eine Notaufnahme verlegt worden, befinde sich aber inzwischen wieder im Gefängnis. Er sagt: "Die letzten anderthalb Monate haben wir sie überhaupt nicht gesehen."

Ales Bialiatski

"Lauf, Junge, lauf!"

Anfang August gab es in Belarus eine Wahl, nach der sich der Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko einmal mehr zum Sieger erklärte. Die EU erkennt die Wahl nicht an, die Opposition im Land spricht von massivem Wahlbetrug. Und die Menschen, sie ziehen seitdem durch die Straßen von Minsk, sie demonstrieren, für faire Wahlen, für einen Machtwechsel, gegen diesen Lukaschenko, der ihrem Land seit 26 Jahren vorsteht, Gegner verhaften und verschleppen lässt, der sich nicht um die Demokratie schert. Der auf Proteste mit Gewalt antwortet.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Facebook, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Ales Bialiatski hat die Härte des belarussischen Machtapparates schon oft zu spüren bekommen. Seit den Achtzigerjahren setzt er sich für Demokratie und Freiheit in Belarus ein, er hat das Menschenrechts-Zentrum Viasna gegründet. Deswegen saß er 1052 Tage im Gefängnis, deswegen wurde er angegriffen. Bialiatski ist Teil des belarussischen Koordinierungsrates, gegründet von Zivilgesellschaft und Opposition, um einen friedlichen Machtwechsel zu erreichen. Wie gefährlich dieses Engagement ist, konnte man in den vergangenen Wochen sehen: Viele Oppositionelle sind verhaftet oder entführt worden. Einige befinden sich im Exil.

Am 27. September, nach 100 Tagen Protest gegen Lukaschenkos Wahlfälschung, postete Bialiatski ein Foto von sich bei Facebook: Mit den Fingern macht er ein Peace-Zeichen, eine weiß-rote Flagge hängt über seinen Schultern. Sie ist, seit Lukaschenko an der Macht ist, das Zeichen des Widerstandes. Es sei ein Aufruf zum Durchhalten, er schrieb dazu: "Lauf, Junge, lauf!"

Bryan Stevenson

"Jeder von uns ist mehr als seine schlimmste Tat."

Schrieb Bryan Stevenson 2015 in seinem Buch, "Ohne Gnade". Er nimmt darin die Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA auseinander. Im Jahr 2020, nach der gewaltsamen Tötung George Floyds, ist das Thema aktuell wie vor fünf Jahren. Das Gefängnissystem in den USA, so Stevenson, basiere auf Ungerechtigkeit, diene dazu, einem immer noch präsenten Rassismus eine juristische Form zu geben.

Bryan Stevenson: Der Anwalt kämpft gegen Rassismus in den USA

Bryan Stevenson: Der Anwalt kämpft gegen Rassismus in den USA

Foto:

Efren Landaos / imago images / ZUMA Press

Er macht eine Bestandsaufnahme eines Landes, das sich auf den Geist von Freiheit und Aufklärung beruft, aber wo oft Rassismus bestimmt, welchen Weg jemand gehen kann und welchen eher nicht. Als schwarzer Bürger werde man dauernd verdächtigt, beschuldigt, misstrauisch beobachtet, für schuldig befunden. Diese Ungerechtigkeit dokumentiert Stevenson.

Stevenson setzt sich mit seiner "Equal Justice Initiative" auch für die Abschaffung der Todesstrafe ein. Er rettete allein im Bundesstaat Alabama mehr als hundert Todeskandidaten vor der Hinrichtung, er sagt: Die meisten Opfer der US-Justiz seien arm, hätten schlechten Zugang zu Bildung, seien schwarz.

Lottie Cunningham Wren

"Der Staat Nicaragua unternimmt noch immer nichts zum Schutz der Indigenen."

Sagt Lottie Cunningham Wren. Die Anwältin gehört der indigenen Gruppe der Miskito an, einem Volk, das an der Grenze zwischen Nicaragua und Honduras lebt, an der Atlantikküste. Das Gebiet der etwa 100.000 Miskito wurde schon öfter von Hurrikans verwüstet, aber das größte Problem der Miskito ist der Mensch.

Einsatz gegen Landraub und für die Rechte Indigener: Lottie Cummingham Wren (r.)

Einsatz gegen Landraub und für die Rechte Indigener: Lottie Cummingham Wren (r.)

Foto:

BRETT BUTTERSTEIN / AP

Denn die Gruppe wird, wie viele andere in Lateinamerika, von teils bewaffneten Farmern bedroht, die ihnen das Land wegnehmen, es ausbeuten, ihre Lebensräume beschneiden. Der nicaraguanische Staat fördert diese Ausbeutung, indem er die Rohstoffindustrie unterstützt, und so dazu beiträgt, dass in den Gebieten der Indigenen das Wasser knapp und das Überleben schwer wird. Lottie Cunningham Wren arbeitete rechtliche Grundlagen heraus, die Indigene weltweit nutzen, um sich zur Wehr zu setzen.

Für Cummingham Wren hängt der Schutz von Indigenen eng mit dem Umweltschutz zusammen. Sie ist eine Vorkämpferin gegen den Bau des gigantischen Interoceanic Grand Canal, eines Kanals, der den Atlantischen und Pazifischen Ozean verbinden soll, finanziert von China. Der Bau würde die Gebiete der Miskito durchschneiden, Ökosysteme zerstören.

Zum Alternativen Nobelpreis: Der Right Livelihood Award, übersetzt so viel wie "Preis für die richtige Lebensweise", wird auch als Alternativer Nobelpreis bezeichnet. Er wird seit 1980 jedes Jahr in Stockholm, Schweden, verliehen, 2020 zum 41. Mal. Er steht in kritischer Distanz zu den traditionellen Nobelpreisen. Preisträgerinnen erhalten jeweils ein 750.000 SEK, etwa 72.000 Euro. Über die Preisträgerinnen und Preisträger 2020 sagte der Direktor der Livelihood Foundation Ole von Uexküll, sie hätten ungerechten Rechtssystemen und diktatorischen politischen Regimen widerstanden, und: "Es ist höchste Zeit, dass wir alle, die weltweit an die Demokratie glauben, aufstehen und einander unterstützen."

In den vergangenen Jahren wurden unter anderem die Klimaaktivistin Greta Thunberg, der US-Whistleblower Edward Snowden und der kongolesische Arzt Denis Mukwege ausgezeichnet.